Ein Kind verlieren – Wie mit dem Schmerz und der Trauer umgehen
Jede Frau, die schon ein-, oder mehrmals ein Kind verloren hat, weiss, wie schrecklich dieser Verlust ist!
Nur schon die Bezeichnung: „Fehlgeburt“ ist äusserst schmerzhaft und entspricht in keinster Weise dem, was passiert (ist) und wie eine Frau, ein Paar sich damit fühlt. Denn es ist nichts fehlerhaftes an diesem Geschehen. Es wird damit schon fast suggeriert, dass dies aus einem Fehlverhalten der Mutter, der Eltern oder gar des Kindes entstanden ist. Und das macht das Ganze noch schwerer. Denn weshalb es zum Verlust eines Kindes kommt, bleibt meist ungeklärt. Natürlich würden sich viele Betroffene wünschen, sie wüssten warum. Sie hätten einen Anhaltspunkt oder könnten bei einer nächsten Schwangerschaft dieses und jenes vermeiden, was vielleicht dazu geführt hat. Die Akzeptanz und der Umgang mit einem solchen Verlust ist schlussendlich ein ganz individueller und sehr persönlicher Weg.
Der Beginn einer Schwangerschaft und Blick in die Zukunft
Wenn der Wunsch nach einem Kind entsteht, ist auch oft schon eine gewisse Zukunftsvision da. Man stellt sich vor, wie es sein wird, schwanger zu sein, ein Baby zu haben. Was bedeutet das für die Frau, für das Paar? Man spricht darüber und schmiedet Pläne, wie man sich organisieren wird. Was für Auswirkungen es für die berufliche und auch die private Situation hat. Vielleicht denkt man darüber nach, eine neue Wohnung zu suchen, da die alte dann zu klein wäre. Oder man überlegt, sich auch beruflich zu verändern. Denn mit einem Kind wird ja alles anders sein. Es sind viele Visionen da, die einem Freude bereiten. Und die Sehnsucht danach, diesen persönlichen Traum zu erfüllen wird immer grösser! Wenn es dann soweit ist und es tatsächlich geklappt hat mit dem schwanger werden, werden all diese Träume und Pläne konkret! Denn nun geht es richtig los, mit dem Projekt Familie. Das heisst, schon beim ersten positiven Schwangerschaftstest ist man in Gedanken schon weit voraus. Und all das, was man über eine kürzere oder längere Zeit mit dem Partner geplant hat, wird nun endlich Realität!
Wenn die Schwangerschaft ein viel zu frühes Ende hat
Was passiert aber, wenn die Schwangerschaft ganz plötzlich endet? Vielleicht treten Blutungen auf, oder das Kind entwickelt sich nicht weiter… Der wunderschöne Traum vom Babyglück wird jäh zerstört und macht alle Pläne zunichte! Der Schock sitzt meist sehr tief und man fragt sich, warum? Warum gerade ich/wir? Was habe ich falsch gemacht? Dabei ist das Gefühl von tiefer Trauer unabhängig davon, wie früh ein solcher Verlust passiert. Ob ganz am Anfang oder in den ersten paar Wochen. Man hatte sich ja schon auf das Kind und die Zukunft mit ihm eingestellt und gefreut. Und nun wird dieser Traum abrupt zerstört.
Ein Kindesverlust ist schwer zu verkraften
Viele Frauen und Paaren fallen dann in ein Loch. Nicht nur gilt es den Verlust des Kindes zu verschmerzen, sondern auch die ganze Zukunftsplanung in Frage zu stellen. Dazu kommen noch etwaige medizinische Massnahmen, je nachdem wie weit die Schwangerschaft fortgeschritten war und auch der Umgang mit dem sozialen Umfeld. Viele Paare warten deshalb auch explizit die ersten 12 Schwangerschaftswochen ab, bevor sie es Familie und Freunden mitteilen. Doch wie ist es nach solch einem Verlust? Soll man so tun, als wäre nichts geschehen? Denn so ganz verbergen können und sollten wir unsere Trauer auch nicht.
Dem Schmerz des Verlustes Raum geben
In einer schwierigen Situation hat jeder Mensch seine eigene Art, damit umzugehen. Manche sind schon erfahren mit Verlust, Trauer, Schmerz! Manche trifft es vielleicht zum ersten Mal! Deshalb gibt es auch keinen falschen oder richtigen Umgang mit so einer Situation. Man sollte jedoch mit sich selbst geduldig sein und all die Gefühle zulassen, die man empfindet. Ignorieren und einfach nicht mehr daran denken. Zum Alltag zurückgehen und so tun, als wäre es nicht geschehen, funktioniert meist gar nicht, oder zumindest nur für eine kurze Zeit. Doch ist das überhaupt der richtige Weg? Denn es ist etwas in Deinem/Euren Leben geschehen, was Spuren hinterlässt. Euer Kind hat sich für kurze oder längere Zeit in Eurem Leben niedergelassen. Und auch wenn es nicht bleiben konnte, hat es doch etwas hinterlassen, was ihr nie vergessen werdet! Der wertschätzende Umgang mit diesem Wesen und auch derjenige der Frau mit ihrem Körper, der das Nest für das Kind zur Verfügung gestellt hat, ist äusserst wichtig und schlussendlich auch tröstlich. Auch wenn es traurig ist und viele Tränen vergossen werden, ist genau das wichtig. Denn Abschied nehmen ist nie einfach. Und hier geht nicht nur um den Abschied vom Kind, sondern auch um den Abschied von Euren unmittelbaren Zukunftsplänen, zumindest vorerst.
Rituale können beim Verarbeiten helfen
Rituale sind ein wichtiger Teil unseres Lebens. Sie helfen uns nicht nur dem Alltag eine gewisse Struktur zu geben, sondern können uns auch Halt in schwierigen Lebensphasen geben. Auch beim Verlust eines Kindes können Rituale bei der Verarbeitung helfen. Sie geben uns die Möglichkeit „etwas zu tun“! Wir setzen uns dadurch nochmals, bzw. anders damit auseinander, was es für uns bedeutet (hat).
In meiner Praxis begegne ich oft Frauen, die einen solchen Verlust erleben oder erlebt haben. Gemeinsam besprechen wir dann, was für Rituale zum Beispiel in Frage kommen. Ich ermuntere immer dazu, eigene Ideen zu verwirklichen und etwas Besonderes daraus zu machen. Das wichtigste erscheint mir, das Prinzip: Behalten und Loslassen!
Abschied nehmen vom Kind
Abschied von einem geliebten Menschen heisst zwar, dass er oder sie nicht mehr physisch bei uns ist. Aber wir haben Erinnerungen in Form von Fotos, Gegenständen, Geschichten etc. Diese helfen uns dabei an die schönen Momente mit dem geliebten Menschen zu denken. Das Loslassen heisst natürlich auch, dass wir den Menschen zwar nicht mehr umarmen können. Mit ihm sprechen, ihn sehen, aber in Gedanken können wir es immer noch tun. Doch loslassen müssen wir den Körper des Menschen, dessen Seele bleibt. Das Loslassen symbolisiert auch z.B. die letzte Ruhestätte für den physischen Körper. Auf dem Friedhof, oder wie das heute immer mehr Menschen wünschen, in der Natur, einem Friedwald oder einem anderen schönen Ort.
Ritual-Ideen zum Behalten und Loslassen
Wenn ein Kind früh wieder geht, sind die Erinnerungen in Form von Gegenständen natürlich beschränkt. Doch meist findet sich das eine oder andere. Ich empfehle z.B. eine Art Erinnerungsbox zu machen. Da hinein könnt ihr alles legen, was Euch an das Kind und an die Zeit mit ihm erinnert. Evtl. Ultraschallfotos, Fotos aus der Zeit der Schwangerschaft von Euch oder wo ihr wart. Etwas aus der Natur, ein kleines Stoff- tier oder anderes. Diese Erinnerungsbox könnt ihr auch immer weiter mit Dingen füllen, die ihr im Laufe der Zeit findet, selber bastelt oder schreibt/zeichnet. Anfangs wird das vielleicht noch schmerzhaft sein, die Box zu öffnen und die Dinge anzuschauen. Doch mit der Zeit wird es Euch auch gut tun, denn es symbolisiert das, was ihr behalten könnt. Das, was nichts und niemand euch nehmen kann.
Ein Brief an Dein Kind
Auch das Loslassen kann in Form eines Rituals stattfinden. Ihr könnt eurem Kind z.B. einen Brief schreiben und diesen dann an einem Ballon davonfliegen lassen. Oder daraus ein Papierschiffchen machen und es denn Fluss hinabschicken. Es können auch Blumen sein, die ihr dem Wasser mitgebt, oder Federn, die ihr vom Gipfel eines Berges vom Wind wegtragen lasst. Was immer Euch in den Sinn kommt und für Euch Sinn macht….
Ein gemeinsames Tagebuch kann helfen
Auch ein gemeinsames Tage-, oder Notizbuch kann hilfreich sein. Wenn man nicht weiss, wie oder was man dem Partner sagen möchte, man einfach traurig ist und doch nicht reden mag. Jeder kann da hineinschreiben, wann und was er/sie mag. Vielleicht ist es einfach nur ein Smiley, mal lachend, mal mit einer Träne. So verliert man die Verbindung zueinander nicht. Denn es ist ein gemeinsamer Weg, so wie auch unser Kind ein Teil von Dir als Frau und Dir als Mann ist.
Frauen und Männer trauern anders
Denkt auch daran, dass jeder anders trauert. Und vor allem auch Frauen und Männer in diesem Prozess sich anders verhalten, anders empfinden. Die Frau, die schwanger war, hat auch eine körperliche Veränderung durchgemacht und manches erinnert sie sicher deshalb auch länger daran. Bis – zumindest körperlich – alles wieder einigermassen im Lot ist, kann eine gewisse Zeit vergehen. Diese kann sehr schmerzhaft sein, wäre sie doch eigentlich als Fortgang der Schwangerschaft gedacht gewesen. Der Mann, dessen Körper keine Veränderungen erlebt hat, muss diesbezüglich nicht wieder zu sich finden. Doch auch er, der Vater, hat seelisch gelitten. Deshalb ist es sehr wichtig einander keine Vorhaltungen zu machen, wie und wie lange getrauert wird. Im Bewusstsein dessen, dass es für beide Partner etwas anders ist, ist es am schönsten, wenn man sich gegenseitig unterstützt und akzeptiert, dass man anders ist und anders trauert. Je mehr Raum ihr Euch dabei lässt und je weniger Druck ihr für Euch selbst und den anderen aufbaut, desto besser und entlastender wird es sein.
Manchmal kann es auch nötig sein, sich Hilfe von aussen zu holen. Z.b. bei einer erfahrenen Hebamme, einer Therapeutin oder lieben Vertrauensperson. So kann auch in dunklen Momenten wieder etwas Licht zu uns hereindringen und uns langsam aber sicher wieder Zuversicht und neue Hoffnung erfahren lassen.
In diesem Sinne wünsche ich Euch von Herzen viel Kraft, Mut und Vertrauen
Herzlichst Roberta
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